Mülheims Wohnzimmer

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Wie Initiativen den Marktplatz an der Berliner Straße neu beleben

Wie Initiativen den Marktplatz an der Berliner Straße neu beleben

von Lutz Werner

von Lutz Werner

Der Marktplatz an der Berliner Straße ist mehr als nur ein Ort zum Einkaufen. Initiativen, Künstler und Anwohner arbeiten daran, ihn attraktiver und lebendiger zu gestalten. Doch Müll, Leerstand und fehlende Infrastruktur bleiben Herausforderungen. Ein Blick auf einen Ort im Wandel.

Früher Nachmittag am Marktplatz: Es ist wenig los, vereinzelt sitzen Menschen auf den Betonblöcken im Schatten der wenigen Bäume. Zwei Männer rauchen, zwischen ihnen Becher mit Tee und eine Flasche Vodka. Warum sie ausgerechnet hier sitzen? »Alles ist da«, sagt einer der beiden lächelnd, und zeigt auf den Netto, die kleine Pizzeria mitten auf dem Platz, die Kioske auf der Berliner Straße, den Schatten und die Sitzgelegenheiten. Auch eine Sparkassenfiliale, ein Spielplatz und das Café im Kulturbunker sind in nächster Nähe.

Die Menschen kommen aus den verschiedensten Gründen. Vor der Sparkasse sitzt ein junger Mann und erklärt, dass er hier vor allem wegen der kostenfreien WLAN-Verbindung sitze. Und dann gibt es noch den Markt, dienstags und freitags, mit Obst und Gemüse, Haushaltswaren, Textilien und Schuhen. Die Lebensmittel seien hier noch günstiger als im Supermarkt, erzählt eine ältere Frau, die ihr Leben lang als Putzkraft gearbeitet hat und nur wenig Rente bekommt.

Mehr Raum, mehr Sicherheit
Wenn nicht gerade Markt ist, bleibt der Platz meistens recht leer. Aber das soll sich ändern: »Der Marktplatz ist ein wichtiger Ort für Mülheim. Er wird von sehr unterschiedlichen Gruppen genutzt, und wir wollen ihn zu einem einladenden Ort machen,« erklärt Julia Wellmann von der Sozialraumkoordination Mülheim-Nord. Sie moderiert den Arbeitskreis Marktplatz, dessen Ziel die Verbesserung der Aufenthaltsqualität des Platzes ist. Der Arbeitskreis ist 2023 aus Stadtteilkonferenzen hervorgegangen und umfasst politische Vertreter, Institutionen wie den Kulturbunker und die benachbarte Gemeinschaftsgrundschule (GGS) Langemaß, Künstler:innen, engagierte Vereine und Anwohner. Ein erster Erfolg: Der Platz ist inzwischen weitestgehend autofrei. »Das bedeutet mehr Freiraum und Sicherheit, vor allem für Kinder,« so Wellmann.

Teilhabe statt nur Konsum
Doch wie bringt man Leben auf die leere Fläche? Gabi Schönau vom Verein Wir im Nordquartier e.V. setzt auf Beteiligung: »Hier wohnen viele Familien und Menschen mit anderen Sorgen. Man muss erst Bewusstsein und Möglichkeiten schaffen, damit sie den Platz mitgestalten.« Ihr Verein ist im Viertel präsent: dienstags zur Mittagsküche mit dem Küchenmobil auf dem Kirchplatz St. Antonius und freitags regelmäßig auf Spielplätzen mit einer Spielebox, frischen Waffeln und Getränken. Auf dem Marktplatz an der Berliner Straße haben die Mitglieder des Vereins zuletzt einen Flohmarkt initiiert. Für die Zukunft wünscht sich Schönau mehr Möglichkeiten zum Spielen und Verweilen: »Der Platz könnte ein Treffpunkt für alle sein, nicht nur für die, die sich einen Kaffee leisten können.«

Kulturelle Vielfalt als Stärke
Wer sich einen Kaffee leisten kann, kommt gerne zum Toré im Kulturbunker. Nurten Celebi, die Geschäftsführerin des Cafés, bringt sich aktiv in die Platzgestaltung mit ein und sieht großes Potenzial auf dem Platz. Sie freut sich insbesondere über die kulturelle Vielfalt: »Manchmal habe ich Gänsehaut, wie schön alles funktioniert und dass jeder so lebt, wie er möchte.«

Herausforderungen und Probleme
So euphorisch sind allerdings nicht alle. Der Inhaber der Pizzeria Da Alessandro klagt im Gespräch über zu viel Müll und zu wenig zahlende Kundschaft. Am liebsten hätte er seinen Laden ganz woanders, Verbesserungspotenzial sieht er nicht.

Teilweise mag die Kritik gerechtfertigt sein, zumindest in Bezug auf die Sauberkeit: Es gibt immer noch Probleme mit Müll und Taubenkot. Weitere Herausforderungen sind eine schleppende Bürokratie oder die Instandhaltung: Der kleine Brunnen auf dem Platz ist nach wie vor außer Betrieb.

Vision vom Wohnzimmer
Dennoch bleibt der Marktplatz ein zentraler Anlaufpunkt: zum Einkaufen, als Durchgangs- und Aufenthaltsort oder als Spielort für Kinder. Julia Scherzl und Malte Garrecht haben sich im Rahmen ihrer »Markthallen-Aktion« intensiv mit der Geschichte und vielfältigen Nutzung des Platzes befasst. Aus dem Projekt soll eine Webseite mit einem Archiv, einem Online-Blog sowie einem Veranstaltungskalender für die Markthalle hervorgehen. Wer möchte, kann Geschichten zum Marktplatzgeschehen einreichen. Garrecht sieht großes Potenzial für den Platz: »Solche großen überdachten öffentlichen Bereiche gibt es in Köln sonst fast gar nicht.« Er spricht vom »Wohnzimmer des Viertels« und wünscht sich, »dass die Leute es selbstverständlich nutzen und sich gerne dort aufhalten.«

Marktplatz-Programm im Herbst
Im Herbst soll sich zeigen, wie lebendig der Platz sein kann: Am 20. September findet das Kinderfest K!NDER.SACHE statt. Der Arbeitskreis Marktplatz organisiert ein buntes Fest für Kinder und Familien mit einem Bühnenprogramm, vielfältigen Möglichkeiten für Spiele und Bewegung sowie kreativen Mitmachaktionen.

Vom 2. bis 5. Oktober verwandelt create Mülheim den Platz in eine Open-Air-Galerie. Hier präsentieren Kreative und Künstler:innen aus dem Stadtteil in einer viertägigen Ausstellung ihre Arbeiten und setzen neue Impulse für die lokale Kulturszene (s. Programm im Mittelteil).

Einmal mehr zeigt sich: Der Marktplatz an der Berliner Straße bleibt ein Ort der Begegnungen. Er ist kein fertiges Projekt, sondern eine Einladung an alle, die ihn nutzen. Ob Kinderfest, Flohmarkt oder spontanes Treffen – was aus ihm wird, hängt davon ab, wer ihn mit Leben füllt.»


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